Unsere Welt verändert sich ständig, und damit auch unsere Sprache: Sie entwickelt, erneuert und etabliert sich. Diese kontinuierlichen Veränderungen treten nicht nur in der Grammatik auf, sondern auch in der Aussprache und im Wortschatz. Zusammen fasst man sie unter dem Begriff Sprachwandel zusammen.
Die Gründe für die ständige Abwandlung der Sprache sind vielseitig. Eine besonders wichtige Rolle im Sprachwandel heutzutage spielt die Globalisierung. Durch den Kontakt mit anderen Sprachen und Kulturen erweitert sich unser Wortschatz und damit unsere Sprache massgeblich. Auch der technologische Fortschritt wirkt sich auf unsere Sprache aus: neue Erfindungen und Entwicklungen wie beispielsweise das Smartphone bringen neue Ausdrücke in unseren täglichen Wortschatz. Aber unsere Sprache wandelt sich nicht nur durch den Einfluss von aussen um. Im Gegenteil: Viele Veränderungen machen unsere Sprache effizienter, indem sie durch Vereinfachungen und Abkürzungen einen schnelleren Weg bieten, um uns auszudrücken. So wurde beispielsweise der Ausdruck «Applikation» zu «App» umgewandelt.
Besonders zentral für den Sprachwandel sind soziale Veränderungen, wie gesellschaftliche Entwicklungen und Trends. Ein deutliches Beispiel für eine Sprachentwicklung, welche durch die Gesellschaft angeregt wurde, ist die genderbewusste Sprache. Immer mehr kommt der Wunsch nach Gleichberechtigung der Geschlechter in der Gesellschaft auf, wodurch dementsprechend auch die Sprache mitwandelt. Man möchte mit der Sprache alle Geschlechter ansprechen können, um Diskriminierung zu verhindern und die Gleichstellung aller Geschlechter zu fördern. Während früher grösstenteils das generische Maskulinum genutzt wurde, achtet man heutzutage vermehrt auf die explizite Nennung von Frauen in Doppelformen oder auf die vermehrte Verwendung von Neutralformen.
Auch der Sprachwandel löst, wie jede andere gesellschaftliche Veränderung, Diskussionen und Widerstand aus, besonders deutlich am Beispiel der genderneutralen Sprache. Bereits seit den 1970er Jahren wird intensiv über das Gendern debattiert. Die einen sehen darin eine Chance zur Förderung der Geschlechtergleichstellung, für die anderen ist es bloss unnötiger Aufwand und übertriebene Kompliziertheit.
Ich persönlich befürworte gendergerechte Sprache und halte sie für wichtig. Auch wenn das generische Maskulinum von manchen lediglich als neutrale Sammelbezeichnung verstanden wird, bin ich der Ansicht, dass die Verwendung grammatisch männlicher Formen durchaus die Wahrnehmung und Sichtbarkeit anderer Geschlechter einschränkt. Bezeichnungen wie «die Ärzte» schliessen, wenn auch nur unterbewusst, die anderen Geschlechter nebst dem Mann aus. Verschiedene Studien belegen beispielsweise, dass Menschen durch die Verwendung einer genderneutralen Sprache flexibler und weniger stereotyp über Geschlechterrollen denken, besonders zeigen dies Experimente zur kindlichen Wahrnehmung von Berufen. Auch wurde bewiesen, dass sich Frauen mit grösserer Wahrscheinlichkeit auf Jobausschreibungen, bei welchen gegendert wurde, bewerben. Dies lässt sich damit begründen, dass sich oft Frauen durch das generische Maskulinum nicht angesprochen fühlen. Die Sprache prägt unsere Wahrnehmung und unser Denken massgeblich. Wenn wir als Gesellschaft die Gleichberechtigung der Geschlechter fördern wollen, müssen wir dies entsprechend in unserer Sprache widerspiegeln. Denn die Sprache ist das Mittel, mit dem wir unsere Haltung ausdrücken. Nur wenn unsere Sprache zu unseren Zielen passt, können wir diese glaubwürdig vertreten. Da sich einige Menschen weder als Frau noch als Mann definieren, ist eine gendergerechte Sprache umso wichtiger. Verschiedene Gender-Zeichen, wie der Doppelpunkt oder das Sternchen, bieten uns die Möglichkeit auch nicht-binäre Personen aktiv anzusprechen. Viele Menschen, die sich gegen das Gendern äusseren, argumentieren damit, dass es unnötig kompliziert sei und unseren Lesefluss störe. Doch das ist nichts Ungewöhnliches: Jede Veränderung wirkt zunächst ungewohnt. Studien zeigen jedoch, dass man sich an gendergerechte Sprache schneller gewöhnt, als viele denken. Es gibt eine grosse Menge an verschiedene Gendertechniken, vom Schrägstrich bis zum Binnen-I. Zwischen diesen Varianten kann also individuell gewählt werden, um den Text möglichst flüssig zu gestalten. Für einige Begriffe bietet sich auch die Möglichkeit, geschlechtsneutrale Begriffe wie beispielsweise «Studierende» zu verwenden. Diese beeinträchtigen den Lesefluss in der Regel gar nicht.
Aus den oben genannten Argumenten wird deutlich, dass ich insgesamt das Gendern als sehr wichtig für unsere heutige Gesellschaft sehe. Trotzdem finde ich es wichtig, dass man dieses Thema dosiert angeht. Meiner Meinung nach sollte man mit grundlegenden Veränderungen beginnen, wie zum Beispiel der Umwandlung von «Ärzte» zu «Ärzt:Innen, statt sofort zu verlangen, dass Ausdrücke wie «jedermann» verändert werden. Es ist wichtig, einen Mittelweg zu finden, der verschiedenen Meinungen gerecht wird, ohne jemanden auszuschiessen. Wenn man zu viele Veränderung auf einmal fordert, verärgern viele Menschen schnell und lehnen das gesamte Vorhaben ab. Dieses Phänomen lässt sich bei vielen gesellschaftlichen Veränderungen beobachten.
Quellen
Debatte zur genderneutralen Sprache:
https://www.sprache-und-gendern.de/beitraege/sprachwandel-ist-nicht-gleich-sprachverfall
https://www.geo.de/wissen/was-spricht-fuer-und-gegen-das-gendern--30675936.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Studien_und_Umfragen_zu_geschlechtergerechter_Sprache
Sprachwandel im Allgemeinen:
https://www.studysmarter.de/schule/deutsch/sprachanalyse/sprachwandel/
Arbeitsblatt S. 4 im Dossier Einführung Sprachgeschichte